Verunglimpfung des Staates

Über die Änderung § 140 StGB, die Billigung von Straftaten, hatte ich bereits berichtet. Wegen der Konturlosigkeit des § 140 StGB sehen zahlreiche Juristen bereits Probleme, ob die Strafdrohung des Tatbestands rechtsstaatlich überhaupt zu legitimieren ist.

Nun macht ein anderer Straftatbestand (wieder) „von sich Reden“. § 90a StGB, die Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole. Ein Student, der während der Corona Krise seine Oma besuchen wollte und dies nicht durfte, war darüber so verärgert, dass er die BRD einen „Dreckstaat“ nannte und dafür zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Das deutsche Strafrecht kennt allgemein keinerlei kollektiv Beleidigungen, demnach ist es straffrei, wenn man sagen würde: der FC Bayern München ist ein Dreckverein, oder die Deutsche Bahn ist Dreckshaufen. So aber nicht, wenn es um den Staat geht.

Das Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) von 1871 hatte noch lediglich Bestimmungen zur Beleidigung des „Landesherrn“ und von „Bundesfürsten“ enthalten. Erstmals wurde die „nichtpersonalisierte Staatsform“ in der Weimarer Republik durch das Gesetz zum Schutz der Republik geschützt. Im Jahre 1932 wurden dann durch die „Verordnung zur Erhaltung des inneren Friedens“ verschärfte Bestimmungen in das RStGB aufgenommen.

Immer wieder wird die Forderung nach einer Abschaffung des § 90a StGB erhoben. Teile der Rechtswissenschaftler begründen diese Forderung damit, dass eine zweckrationale Rechtfertigung des Tatbestands als Staatsschutznorm nicht gelinge. Andere Jursiten sehen eine Streichung als kritisch und meinen, der Staat stünde dann jeglichen gegen ihn und seinen Bestand gerichteten Äußerungen tatenlos gegenüber. Eine streitbare und wehrhafte Demokratie, könnte es nicht hinnehmen, wenn sie gezielt bekämpft werde.

Beispiele für eine Strafbarkeit nach § 90a StGB gibt es viele, insbesondere in den Anfangsjahren der BRD: Die Bezeichnung der Bundesrepublik als „Coca-Cola-Bude“, in der „Korruption, Verrat und Eidbruch“ herrschen (BGH 1952). Die Bezeichnung der Bundesrepublik Deutschland als „Unrechtsstaat“ (BGH 1955). Die Behauptung, in der Bundesrepublik herrschten „Lüge, Rechtslosigkeit und Terror“ und in ihr würden „Verbrecher und Vaterlandsverräter“ regieren (BGH 1961). Die Bezeichnung der Bundestagswahlen als „Betrugsmanöver“ (VGH Mannheim 1976).

Seit Ende der siebziger Jahre verfestigte sich dann aber eine Rechtsprechung, wonach die Staatsverunglimpfung nach § 90a StGB im Lichte des Artikel 5 Grundgesetz (Meinungsfreiheit) restriktiv ausgelegt wurde. Haben wir es also mit einer Entwicklung zu tun, die zurück zu der strengen Auslegung der 60ziger Jahre will.

Nein, dies glaube ich nicht. Für mich passt das Urteil viel mehr in das Bild der sog. Corona Justiz. Wollte man jeden bestrafen, der den Ausdruck Drecksstaat benutzt hatte, hätten die Gerichte viel zu tun – dazu muss man den Begriff nur mal bei Google eingeben. Warum der bayrische Student zu 1.500 EUR Geldstrafe verurteilt wurde ist offensichtlich, weil er sich gegen die Corona Politik der Regierung ausgesprochen hat. Oder glauben Sie, dass ein Klima-Aktivist verurteilt worden wäre, wenn er den Staat als Drecksstaat bezeichnet hätte, weil der Umweltschutz seiner Ansicht nach nicht schnell genug vorankommen würde. Wohl kaum! Der (Rechts-) Staat reagiert bei Corona Kritik besonders dünnhäutig, wie es mir scheint.

Anders als dem einzelnen Staatsbürger kommt dem Staat aber kein gesonderter grundrechtlich geschützter Ehrenschutz zu. Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Die Zulässigkeit von Kritik am System ist vielmehr Teil des Grundrechtestaats. Die Schwelle zur Rechtsgutverletzung ist in meinen Augen erst dann überschritten, wenn aufgrund der konkreten Art und Weise der Meinungsäußerung der Staat dermaßen verunglimpft wird, dass dies zumindest mittelbar geeignet erscheint, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, die Funktionsfähigkeit seiner staatlichen Einrichtungen oder die Friedlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Dies hat der Student aus Bayern aber nicht getan und ich würde ihm daher dazu raten gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen.

Der Staat soll die Rechte der Bürger zu schützen. Darunter fällt auch ihre Freiheit, auf den Staat zu schimpfen, genauso wie über Bayern München, oder die Bahn. Nun wird diese Strafnorm dafür genutzt, bestimmte politische Aussagen zu unterdrücken, wenn sie nicht in das Weltbild des Richters passen. Daher sage ich: Paragraf 90a StGB gehört endgültig abgeschafft.

Published On: 15-Sep-2023Views: 1233667 words

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