Das neue Buch „Kampf um die Armut“ beschäftigt sich mit dem Begriff der Armut. Die Armutsforscher warnen vor sozialer Spaltung in Deutschland, so sei ein absoluter Armutsbegriff, der die Verhältnisse in einem Entwicklungsland als Maßstab anlege, überhaupt nicht geeignet, die Armut in einem wohlhabenden Land wie Deutschland zu erfassen. Bei der Vorstellung des Buches in Köln prangerten die Autoren die Abkehr vom relativen Armutsbegriff an. Es sei vielmehr eine Tatsache, dass in Deutschland 12,5 Millionen Menschen arm seien.
Gerade angesichts der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen, die in Deutschland Hilfe suchen, sei die Bundesregierung mehr als je zuvor seit der Vereinigung zu einer offensiven Sozialpolitik aufgerufen, mahnen maßgebliche Experten. Ohne ein engagiertes staatliches Gegensteuern bestehe die große Gefahr, dass die steigenden Flüchtlingszahlen zu einer noch tieferen Spaltung der bundesdeutschen Gesellschaft als ohnehin gegeben, führten.
Zwar sei die Armut in Deutschland nicht zu vergleichen mit der in einem Entwicklungsland, wo Menschen verhungerten, sagte Butterwegge. Aber ein Kind aus einem Hartz-IV-Haushalt habe schon viel zu erdulden. Das Buch „Kampf um die Armut“ sei eine Antwort auf die Reaktionen, die der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, ausgelöst habe. Laut dem Bericht sind in Deutschland 15,5 Prozent der Bevölkerung arm. In verschiedenen Medien sei dem Wohlfahrtsverband Armutsschwindel oder Aufschneiderei vorgeworfen worden, sagte Butterwegge dem Evangelischen Pressedienst. In der Debatte gehe es um die Frage, wer in Deutschland tatsächlich als arm einzustufen sei.
Wir meinen, wer lediglich 399 EUR zum Leben hat, der ist arm. Hartz IV Bezieher werden vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Wenn man nur bei Lidl und Aldi einkaufen geht, dann kommt man vom Regelsatz vielleicht über die Runden, aber teilnehmen am Leben in Deutschland kann man von dem Geld nicht. So fanden die Armutsforscher auch heraus, dass die Perioden der Armut immer länger werden, wer also einmal bei Hartz gelandet ist, der bleibt in der Regel auch dort. Das deutsche Jobwunder sei hingegen darauf zurückzuführen, dass es immer mehr Billig-Löhner gebe, Armut trotz Arbeit ist die Kehrseite des deutschen Beschäftigungswunders.
Der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Stefan Sell unterstreicht, dass auch volkswirtschaftliche Motive für eine Umverteilung sprechen: „Armut und zunehmende Ungleichheit sind auch aus ökonomischer Sicht schädlich für die Menschen und die Gesellschaft. Verbesserungen bei den Ärmsten und gerade auch bei den Niedrigeinkommensbeziehern wirken sich volkswirtschaftlich und erst recht gesellschaftlich enorm positiv aus. Am Ende profitieren alle.“