„Die Hartz-IV-Gesetze sind sehr kompliziert“, erklärten Vizepräsident des Kölner Sozialgerichts Wolfgang Aghte (64) und Richter Stefan Schmitz (43). Die Fehlerquote der Arbeitsagentur sei sehr hoch, vor allem bei der Anrechnung von sonstigem Einkommen.
Rund 5000 Hartz-IV-Empfänger haben im vergangenen Jahr vor dem Kölner Sozialgericht auf höhere Bezüge geklagt. Und das mit erstaunlichem Erfolg: Etwa die Hälfte der Kläger bekam Recht. 90% der Kläger waren dabei anwaltlich vertreten.
Erfolg hatte z.B. ein Kläger, dem das Jobcenter(JC) keine Waschmaschine bewilligen wollte. Zur Begründung führte das JC aus: um die Ecke sei ein Waschsalon. Ich denke, leider hat das Verhalten des Jobcenters schon „System“, es werden Leistungen abgewiesen, obwohl das Jobcenter weiß, dass die Leistung berechtigt wäre. Der Grund: es soll Geld gespart werden. Einige Bescheide sind so unsinnig, dass im Grunde jeder weiß, dass kann nicht richtig sein. So hatte ich zum Beispiel eine Mandantin der das JC unterstellte, sie sei unbekannt verzogen: Sanktion auf 100% – also keinen einzigen Cent vom Amt.
Bei dem Versuch die Sache vor Ort zu klären wurde ich selbst als Anwalt unverschämt behandelt. Die Mitarbeiterin ließ mich auf dem Flur 1,5 Stunden warten, obwohl Sie offensichtlich nichts zu tun hatte. Auf Nachfrage meinte Sie dann: Sie sind gleich dran. 15 Minuten später meldete sich ein weiterer Mitarbeiter, der mir dann sagte, dass die Dame nicht mit mir sprechen wolle, er würde dies nun tun.
Der „Trick“ mit den vorläufigen Bescheiden: Werden Sanktionen verhängt, so erhält der Hartz IV Empfänger häufig nur einen vorläufigen Bescheid. Dieser Bescheid wird dann nicht als Verwaltungsakt eingestuft, ein Widerspruch gegen den vorläufigen Bescheid ist daher nicht möglich. Dies macht sich das JC zum Vorteil, eine Überprüfung des endgültigen Bescheides kann nämlich Monate lang dauern. Ein Mensch, der von 400 EUR monatlich auskommen muss und kein Geld hat, der kann aber nicht Monate darauf warten, dass ein Bescheid überprüft wird. Nur die wenigsten gehen dann zum Rechtsanwalt. Hier ist rechtlich nur ein Eilantrag das richtige Rechtsmittel. Ich meine: wen jemand von der Hand in den Mund leben muss, dann hat auch ein vorläufiger Bescheid endgültigen Charakter! Wenn ich als Anwalt einen Widerspruch mache, anstatt zu klagen, dann werde ich nicht mal dafür bezahlt, weil es eben kein Verwaltungsakt ist. Durch diese, meiner Ansicht nach gewollten Verwaltungspraxis, werden die Gerichte unnötig belastet.
So kompliziert sind die Gesetze nämlich nicht immer, aber falsche Bescheide haben inzwischen Methode. Das JC weiß doch, dass kaum einer gegen einen falschen Bescheid vorgeht und die Mehrkosten die Gerichtsverfahren kosten, sind immer noch billiger, als grundsätzlich richtig zu entscheiden – von Anfang an!
In dem Fall mit dem „unbekannt verzogenen Hartz IV Empfänger“, konnte ich die Sache dann mit dem JC klären. Natürlich war meine Mandantin nicht unbekannt verzogen, ansonsten hätte sie den Brief des JC ja wohl kaum erhalten können. Da ich auch noch persönlich vor Ort war und nichts geschrieben hatte, eine an sich schnelle und pragmatische Lösung, kann ich als Anwalt nur 35 EUR abrechnen. Mit Erstberatung, Fahrt zum JC, stundenlanges warten, Abrechnung, Feedback Gespräch usw. bin ich an einem solchen Fall min. 8 Stunden beschäftigt. Damit verdiene ich als Anwalt weit weniger als den Mindestlohn, dass dies kein Anwalt auf Dauer machen kann ist klar … und auch dies ist Teil des Hartz IV Systems. Im Gegensatz zu den Märchen in der Presse, dass Hartz IV Anwälte sich eine goldene Nase verdienen ist die Realität so, dass man als Anwalt schon überzeugt von seiner Tätigkeit sein muss, weil man oft „pro bono“ arbeitet – für lau, sagt man in Köln.
Mir persönlich wäre es daher lieber, wenn die JC richtige Bescheide ausstellen würden! Dann müssten Anwälte weniger unter dem Mindestlohn arbeiten und die Gerichte müssten die Fehler der JC nicht so oft ausbügeln.