Wie das Sozialgericht in  Gotha nun festgestellt hat, sind Sanktionen gegen Hartz IV Bezieher verfassungswidrig (vgl. Az: S 15 AS 5157/14). Das Bundesverfassungsgericht wird sich nun mit der Sache beschäftigen. Die Richter bezweifeln, dass Hartz IV Strafen mit der im Artikel 1 festgeschriebenen Unantastbarkeit der Menschenwürde sowie der im Artikel 20 festgeschriebenen Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind. In dem Fall ging es um einen Bezieher von Sozialleistungen, der ein Jobangebot abgelehnt hatte und daher mit 30% sanktioniert wurde (um 117,30 EUR wurden seine Leistungen gekürzt). Ende April hatte das Bundessozialgericht geurteilt, dass ein Kürzung um bis zu 30 Prozent verfassungsgemäß sind.

Aus meiner juristischen Arbeit kann ich nur sagen, dass ich an der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionen schon lange zweifel. Das Jobcenter greift meiner Ansicht nach zu Tricks, die gegen die Menschenwürde verstoßen. Da werden einfach Sachen behauptet, die die Behörde selbst nicht glaubt, damit aber Tatsachen geschaffen, gegen die sich die Ärmsten der Armen erst einmal zu wehr setzen müssen. Ein Beispiel: das Jobcenter behauptete, meine Mandantin sei „unbekannt verzogen“, mithin stellte man die Leistungen komplett ein!

Ich ging selbst zum Jobcenter, obwohl dies für Anwälte überhaupt nicht vergütet wird. Auch ein Fehler im System. Bei einer Klage verdiene ich Geld, wenn ich die Sachen schnell und unkompliziert regel, haben alle etwas davon, nur der Anwalt schaut in die Röhre. Nach einer Stunde Wartezeit entschied sich die Mitarbeiterin vom Jobcenter dann doch dazu überhaupt nicht mit mir zu reden. Offensichtlich war ihr die Sache peinlich! Dafür sprach dann ein Kollege mit mir, der dann auch zugestand, dass der Bescheid (unbekannt verzogen) natürlich unsinnig sein, die Sanktionen wurden sofort aufgehoben.

Das Jobcenter schafft es also mit bloßen Behauptungen !!! die Geldleistungen auf Null zu drehen, sollen die Leute doch erst mal was dagegen machen und wer geht schon zum Anwalt? Und wer findet schon einen Anwalt der für insgesamt 35 EUR eine solche Sache bearbeitet. Auch das Jobcenter ist an Recht und Gesetz gebunden, man hat aber oft den Eindruck, dass es nur um Kohle geht. Den Mitarbeitern wird es nach einer gewissen Zeit auch egal, was mit den Leuten ist. Und von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter sieht es anders aus. Der eine ist „ein scharfer Hund“, der nächste macht in der Regel gar nichts.

Diese Behördenwillkür ist unerträglich geworden. Ich habe Mandanten, die freuen sich wie ein Kind, dass wir beim Jobcenter zumindest einen Nahrungsmittel-Gutschein bekommen haben. Sanktionen, weil Unterlagen angeblich nicht angekommen sind. Das größte Problem für Hartz IV Bezieher ist und bleibt aber die Wohnung. Eine Wohnung für 412 EUR EUR zu bekommen ist in Köln praktisch unmöglich. Erst recht, wenn es a) schnell gehen muss und b) der Mieter keinen Job hat. Wo sollen diese Wohnungen sein? Natürlich ziehen die Leute dann trotzdem um und die Mehrkosten werden dann von den 400 EUR zum Leben abgezogen. Diese Richtlinien sind unsinnig und gehen an der Realität des (Kölner) Wohnungsmarkt vorbei.

Ausbaden müssen den Frust oft die Mitarbeiter vom Jobcenter. Schon viel zu oft wurden diese von verzweifelten und wütenden „Kunden“ sogar körperlich angegriffen, obwohl diese nur die Vorgaben umsetzen müssen. Zumal diese Mitarbeiter auch oft nur Jobs auf Zeit haben und sparen sie nicht bei ihren Kunden, können sie dann selbst ihren Hut nehmen. Ein Bekannter von mit hatte sich beim Jobcenter beworben. Beim Einstellungsgespräch wurde ihm gesagt: „Sie wissen schon, dass wir hier Ablehnungs-Quoten haben?“. Sowas darf es meiner Ansicht nach gar nicht geben, denn entweder die „Kunden“ habe einen Anspruch oder eben nicht.

Die Behörden und die Justiz müssen also den Mist ausbaden, den die Politik angerichtet hat. Nun wird (muss) sich das Verfassungsgericht mit dem Thema beschäftigten. Ich gehe davon aus, dass die Verfassungsrichter das Urteil aus Gotha bestätigen werden. So kann es jedenfalls nicht weiter gehen.